Der Große Regen
Klein, fein und anspruchsvoll

Die Gegend um Bayerisch Eisenstein hat mehr zu bieten als Glashütten und den Naturpark Bayerischer Wald

von Dr. Wolfgang Stoltenberg

Wie das klassische Fliegengewässer aussieht, wissen wir doch wohl.
Suchen wir aber nicht alle nach der speziellen Herausforderung? Kennen Sie den gewissen Kick, wenn Sie eine aussichtslos scheinende Situation gemeistert haben? Solche Erlebnisse vergisst man nicht und man findet sie auch nicht überall.
Dr. Wolfgang Stoltenberg spickte sein Gewässerportrait mit lebhaften Schilderungen und gibt wertvolle Tipps zu den Strategien am Großen Regen.

Volle Konzentration ist angesagt. Im glasklaren Wasser ist Schnur und Vorfach für alle gut sichtbar!

Idyllisch aber mit Tücken

Lassen Sie sich vom Namen nicht täuschen. Wenn Sie es lieben, Ihre Schnur zu entfalten, raumgreifende Würfe zu zelebrieren, dann sind Sie am Großen Regen bei Bayerisch Eisenstein fehl am Platze. Dieser Mittelgebirgsbach rauscht bei ca. 6 bis 8 Metern Breite recht flott durch sein felsiges Bett, bildet interessante Gumpen und vielversprechende Rinnen, dabei bildet er nur selten flachere, bereite Rieselstecken
Vorsichtig mit der Nymphe stromab in den Gumpen
Die gut sechs Kilometer lange Strecke, die mein Freund Volker und ich befischten, ist fast überall von Bäumen gesäumt, zusammen mit moosbewachsenen Felsen findet sich so manche idyllische Stelle, an der das Fischen selbst ohne Bisse Spaß macht.
Von der Größe eines Gewässers auf den Fischbestand und vor allem auf evtl. vorhandene Kaventsmänner zu schließen, habe ich mit abgewöhnt. Kapitale Fische haben nicht überlebt, weil man sie leicht aufspüren und anwerfen kann. So mancher Abschnitt, der tagsüber, gerade im Sommer, wie tot daliegt und keine Bisse produziert, brodelt beim Abendsprung in der Dämmerung geradezu. Das Wasser im Großen Regen ist sehr klar und nur bei sehr ergiebigen Niederschlägen trübt es etwas ein. Nach einem halben Tag ist es aber in der Regel wieder in Ordnung.

Vorsichtig mit der Nymphe stromab in den Gumpen

Infolgedessen sind die vorkommenden Bach- und Regenbogenforellen, Saiblinge und die wenigen Äschen ausgesprochen scheu.
Das Fischen stromauf mit kurzen Würfen ist am erfolgversprechendsten. Selten reichen die möglichen Wurfweiten aus, um ohne Scheuchwirkung stromab zu fischen. Auch die Nymphe lässt sich nur an einigen Strecken sinnvoll stromab einsetzen.
Service super
In der Regel werden nur 5 Karten für die Stecke ausgegeben. Die Gäste des Hotels Grenzwald nutzen das Kontingent meist voll aus. Die schöne Unterkunft liegt direkt am Fischwasser und die gutbürgerliche, schmackhafte Küche sind weitere Gründe, hier Unterkunft zu suchen.
Beim Frühstück sprachen die anwesenden Fliegenfischer kameradschaftlich ab, wer welchen Abschnitt befischen wollte, so dass wir uns zum Erfahrungsaustausch zwar zwischendurch hin und wieder trafen, aber nie in die Quere kamen. Dass am Fronleichnamswochenende 1998 plötzlich drei Angler mehr beim Frühstück saßen ist hoffentlich die Ausnahme!

Ewald Liebl, der Sohn des Gastwirts und Pächter der Strecke führte uns an alle Abschnitte und sparte nicht mit Tipps und Hinweisen auf Unterstände. Er hält fängige Muster bereit und zeigte uns Fotos von seinen Frühlingsfängen. Unter anderem zwei Bachforellen, deutlich jenseits der 40 cm Marke. Die besten Fänge lagen bei bis zu 60 cm. Na, wenn das nicht anspornt! Gehen wir den großen Regen gemeinsam stromauf und beginnen an der unteren Grenze, der Seebachschleife. Durch den recht trockenen Winter 1997/98 wird der Große Regen mit relativ wenig Wasser gespeist, 85 % davon werden durch den unteren Mühlengraben geleitet.

Die letzte Flucht einer schönen Bachforelle

Braunes Wasser, glitzernde Streamer, schöne Regenbogenforelle - trotz großen Regens am Großen Regen

Am Mühlengraben
Das Flussbett selbst führt nur sehr wenig Wasser. Von der Brücke aus sehen wir einige nette Forellen, die aber hypersensibel sind. Obwohl hier lange Würfe möglich sind, wird jede Präsentation, selbst kleinster Fliegen am 10er Vorfach mit wilden Fluchten quittiert. Bei genügend Wasserführung ist dies sicher eine erfolgversprechende und gleichzeitig landschaftlich schöne Strecke.

Der etwa vier Meter breite und bis über zwei Meter tiefe Mühlengraben entschädigte aber, konnten wir doch bei kristallklarem Wasser ganze Schulen schöner Forellen entdecken. Offensichtlich haben diese aber auch hinten Augen und lassen sich bei sonnigem Wetter kaum ansprechen. Auch ein frisch aufgeschütteter Wall bietet hier keine Deckung. Am Tage hat man an dieser Stelle nur wie ein Indianer, am Boden robbend, eine Chance. Zumindest, wenn sie die verwunderten Blicke einiger Wanderer nicht stören. Dieser Wall gehört schließlich zu einem beliebten Flusswanderweg. Doch der Aufwand lohnt. Die Chance, hier eine Forelle der 50 cm Klasse zu haken, ist durchaus gegeben.

Denn im Wald, da sind...
Die Waldstrecke ist schon allein durch die wunderschöne Umgebung ein Genuss, werferisch stellt sie allerdings durch den dichten Uferbewuchs hohe Ansprüche. Eine Reihe von Kolken und unterspülten Ufern bieten optimale Einstände für kapitale Fische. Diese Spots sollten intensiv mit Koppenstreamern abgeklopft werden.
Gerade im Sommer und an hellen Tagen ist die Pirsch vor dem Frühstück und am Abend am erfolgversprechendsten. Während wir am unteren Graben fast verzweifeln, fangen unsere Fliegenfischerkollegen auf geflügelte Ameisen eine Reihe guter Forellen.
Auffällig sind die enormen Mengen an Sprock, die den Grund bedecken. Alle von uns ausgenommen Forellen haben Steinchen von den Gehäusen in Magen. Die Wahl erfolgversprechender Muster ist also nicht allzu schwer.
Kurz vor der Hexenbrücke ist ein besondes schöner und tiefer Kolk, dem ich einige schöne Rainbows entlocken kann. Hier soll ein wahres Monster hausen, das aber vor 3 Wochen einen Drill erfolgreich abgebrochen hatte und beim Anblick unserer Muster wohl nur ein ironisches Lächeln übrig hatte.

Kaum zu erkennen, der kleine Saibling und der verwachsene obere Mühlengraben

Warte, bis es dunkel wird
Also Ausweichen auf den Abend, wo wir heftigen Schlupf von Eintagsfliegen und Köcherfliegen erleben und - kaum ein Fisch steigt, nicht einmal auf Emerger. Unsere Stunde kommt, als das Wasser bei heftigem Regen mehr und mehr eintrübt und mit beschwerten Koppenstreamern erste Gänge nahe am Grund glückten. Als das Wasser total braun ist, steigen wir auf gelbe, glitzernde Marabou- und Bunny-Streamer um und bekommen weiteren Kontakt.
Möglicherweise ist das Wehr, an dem der untere Mühlengraben abzweigt, bei höherem Wasserstand interessanter. Bei unserem Besuch dominierte lediglich eine bis zu 80 cm tiefe Rinne, die ich vergeblich mit der Sedge abfischte. Kaum 30 Minuten später bekommt Volker mit einer Bürzel Dun hier schöne Bisse. Ansonsten gilt aber für die Flussabschnitte, dass sie mindestens einen halben Tag Ruhe brauchen, bevor ein weiterer Sportfreund sein Glück versucht.

Wer tagsüber die Äste mit Fliegen schmücket, kann abends am großen Balkon des Gästehauses nachrüsten

Das Wehr unterhalb bietet mehr Platz für den Drill

Manchmal gibt der Mühlengraben seine stattlichen Geheimnisse preis.

Lohnende Wiesenstrecke
Oberhalb der Hexenbrücke wird nach etwa 500 Metern der Uferbewuchs immer lichter, links stromauf öffnet sich ein Wiesenstück und die technischen Anforderungen werden deutlich einfacher. In einigen Rieselstrecken kann ich sogar bei strömenden Regen trocken mit der Sedge Biss auf Biss verzeichnen. Wie sagt Volker immer: Man muss sie locken! Besonders interessant sind hier einige Flussschleifen mit tiefen Prallufern und herrlichen Unterständen.
Dem obersten Kolk, besonders idyllisch durch einen moosbewachsenen großen Felsen im tiefen Auslauf, nähere ich mich von unten. Auch hier steigen Bach- und Regenbogenforellen willig aus der Tiefe auf die Trockenfliege. Zehn nette Exempare aus diesem kleinen Bereich finde ich schon bemerkenswert.
Die Wiesenstrecke endet mit dem Einlauf des oberen Mühlengrabens. Die 20 Meter lange tiefe Rinne entlang einer Felsmauer ist äußerst vielversprechend.

Volle Deckung
Kaum zwei Meter breit und am begehbaren Ufer dicht - mit übers Wasser hängenden Farnen - bewachsen, scheint mir dieser Abschnitt kaum befischbar. Statt der Forellen beißen spontan winzige Kriebelmücken.

In einer kleinen Lücke schaue ich auf die beschattete Wasserfläche und werfe, um Tiefe und Fließgeschwindigkeit zu ergründen, einige Pistazienschalen hinein. (bitte nicht weitersagen!) Eine fällt durch die Farnblätter nahe am Ufer, sinkt 10 cm und ist, schwupps, verschwunden.
Hier ist nur Tippfischen möglich. Vorsichtig pendele ich eine Goldkopfnymphe stromauf, lasse sie etwas sinken und führe sie so nah wie möglich an den Farnen entlang. Die Schnur verzögert kaum merklich, Anhieb auf Verdacht, und eine 36er Rainbow lässt das Wasser explodieren. Wilde Fluchten und Sprünge folgen auf engstem Raum. Ich bin wie elektrisiert.
Zehn Meter stromauf die nächste Möglichkeit zum Tippen. Schon beim Einwurf sehe ich einen Wirbel, den Haken setze ich durch leichtes Heben der Rute und die Spitze folgt heftig dem brutalen Zug tief am Grund stromab. Beim vorsichtigen Bremsen wendet der Fisch und stürmt stromauf, sodass ich mit dem einstrippen kaum nachkomme. Aber da hängen Äste tief ins Wasser, die Hand an der Trommel bremst stärker.

Ich sehe eine beeindruckende Schwanzflosse, die noch mehr Energie mobilisiert und mühelos mein 16er Vorfach sprengt. VW: Vakuum im Bauch und weiche Knie.

"Bogenwurf"

Ein paar Meter weiter, zwischen Ästen und Farn erspähe ich eine Lücke von nicht mal einem Quadratmeter. Die Nympfe hängt sich hartnäckig mehrmals ein. Ich fixiere mit der Hand die Schnur am Rutengriff greife den Köder am Hakenbogen, spanne die Rute zur deutlichen Biegung und schieße wie mit einem Flitzebogen in die Lücke. Ob der geneigte Leser es glaubt oder nicht, nach 30 m Drift wieder ein Zittern in der Schnur, langsam bekomme ich Übung und lasse die Forelle diesmal laufen. Nach einigen Sprüngen und Fluchten hebe ich 46 cm blitzende Muskeln aus dem Wasser.
Die unteren 500 Meter dieses Grabens lassen ein Fischen aus der Deckung auch am Tage auf kürzeste Distanz zu. Festes Auftreten, Blickkontakt, Rutenschatten auf dem Wasser oder auffällige Schnur lassen die enormen Forellen dieses Grabens aber wild davon schießen.

Scheuer Saibling
D
ie obere Strecke führ direkt am Hotel und Gasthaus vorbei, und lädt zu einer Pisch vorm Frühstückskaffee oder Bierbetthupferl ein.
Am unteren Wehrstau lernt Volker dreimal den Sandortsaibling kennen. Beim Fischen mit der Dun hakt er eine kleine Äsche, zwischen den Felsen schießt ein dunkles Schemen hervor und dreht kurz vor der platschenden Äsche ab. Als wir beim zweiten Mal nachmittags hier vorbei kommen, hat er ganz kurz Kontakt am Streamer. Der vom Trockenfischen trainierte, blitzschnelle Anhieb kommt aber wohl zu früh.
A
m nächsten Abend der dritte Versuch, Wurf stromauf, zügiges Einstrippen, nach wenigen Metern wird die Koppenimitation voll genommen. Mit der Strömung kann Volker den Fisch kurz vor seine Füße dirigieren und identifiziert ihn eindeutig als kapitalen Saibling. Allerdings identifiziert dieser auch den Angler, schießt unaufhaltsam unters Treibgut, das sich hier gesammelt hat, und in seinen Unterstand. Kein Chance! VW! (s.v.)

Die Lücke am großen Felsen. Hier patroullieren vor allem abends die besseren Kaliber

Reichlich Unterstände an der Mauer und am großen Felsen. Hier hat Volker noch eine Rechnung mit einem Saibling offen

Krönender Abschluss
Eines Abends passieren wir die Fußgängerbrücke 200 m unterhalb des Hotels. Beim routiniert-emsigen Blick ins Wasser sehen wir eine stattliche Regenbogenforelle, die in der stärksten Strömung patroulliert und wohl nympht. Volker lässt mir den Vortritt und will von oben dirigieren. Bei dem Schuss und recht flachem Wasser habe ich mit der Nymphe keine Chance.
Ich küsse noch einmal meine Lieblings-Sedge und schicke sie mit einem Flachwurf unter der Brücke auf die Reise. Sie setzt auf, treibt drei, vier Sekunden, dann verschwindet sie in einem Strudel. Rute hoch, der Spitzenring kratzt an der Brücke und der Fisch hängt! Mit der Strömung rauscht er über die nächste Kaskade, sodass ich sie erst in der nächsten Rieselstrecke kontrollieren kann.
Mein Freund, der fast von der Brücke gesprungen wäre, poltert halsbrecherisch den felsigen Abhang hinunter und keschert meisterlich.

Der grandiose Abschluss eines Angeltages.
Dieser Gewässerabschnitt endet schließlich in einem vielversprechenden Wehrkolk direkt an der Grenze. Nehmen Sie dorthin einen Fliegenpass mit, denn wenn Ihr Wurf zu weit gerät, liegt Ihr Muster bereits in Tschechien.

Resümé

Für die gesamte Strecke reichen Watstiefel völlig aus, in der zweiten Wochenhälfte entsprach aber auch das Wetter dem Namen des Flusses, sodass wir froh waren, uns in Wathosen durch nasse Wiesen und Gestrüpp schlagen zu können. Trotzdem waren wir nicht zum letzten Mal in Bayerisch Eisenstein, dann da sind noch einige Rechnungen offen. (Nein , natürlich nicht mit dem Gastwirt!)

Dr. Wolfgang Stoltenberg

nach oben